
Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften
Heute entscheidet der Deutsche Bundestag über zwei Sachverhalte. Zum einen muss das Parlament die Tagesordnung ändern, damit über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften debattiert werden kann. Sollte die Tagesordnung mehrheitlich geändert werden, wird zum anderen sofort danach in der Sachfrage entschieden.
Ich werde die Änderung der Tagesordnung ablehnen. Allerdings werde ich dem Gesetzentwurf, die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften der Ehe gleichzustellen, zustimmen. Mit diesem Schreiben möchte ich Ihnen mein Abstimmungsverhalten begründen.
Warum müssen wir jetzt entscheiden?
Wir haben im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD festgelegt, dass wir über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht entscheiden. Die Vorsitzenden der CDU und CSU, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Horst Seehofer, sind mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Thema eine Gewissensentscheidung ist. Ich teile diese Überzeugung. Genauso wie unsere Parteivorsitzende bedauere ich allerdings sehr, dass die SPD aus wahlkampftaktischen Gründen eine Abstimmung erzwingt, anstatt diese Entscheidung mit der notwendigen Würde, Tiefe und Zeit in der nächsten Legislaturperiode anzugehen.
Dem Rechtsausschuss liegt seit Beginn der Legislaturperiode ein Gesetzentwurf dazu vor, der bisher immer mit den Stimmen der Koalition vertagt wurde. Die SPD bricht nun diese Vereinbarung und nutzt die Mehrheit der Stimmen von SPD, Linken und Grünen, um den Entwurf aus dem Ausschuss in das Plenum zu bringen. Die Union hat – unabhängig von den individuellen Meinungen der Mitglieder im Rechtsausschuss – einstimmig dagegen gestimmt.
Ich verurteile dieses Vorgehen der SPD. Es zeigt, dass sie bereit ist, linke Mehrheiten in Deutschland zu nutzen. Ich halte diese Eile aber auch deshalb für falsch, weil es um eine der bedeutendsten gesellschaftspolitischen Entscheidungen dieses Jahrzehnts geht. Diese Entscheidung nach nur 38 Minuten Debattenzeit durch das Parlament zu bringen, wird der Tragweite dieser Entscheidung in keiner Weise gerecht.
Ich hätte mir gewünscht, dass wir dieses Thema, ähnlich wie die Abstimmung über die Sterbehilfe-Frage und unter stärkerer und intensiverer Einbeziehung der Öffentlichkeit und unserer Parteimitglieder, in der nächsten Legislaturperiode debattieren und entscheiden. Da ich es ablehne, dieses Thema so kurzfristig zu debattieren, werde ich gegen die Änderung der Tagesordnung stimmen, um meinen Protest in dieser Frage auszudrücken.
Was entscheiden wir?
Der Gesetzentwurf ändert §1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches wie folgt: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Dies hat zwei rechtliche Auswirkungen.
Erstens wird eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft nun auch Ehe genannt. Damit wird in Zukunft nicht mehr zwischen „verheiratet“ und „verpartnert“ unterschieden. Durch diese bisherige Unterscheidung sind gleichgeschlechtliche Personen gezwungen gewesen, ihre sexuelle Orientierung gegenüber Behörden preiszugeben.
Als Mitglied einer Partei, die immer der Ansicht war, dass die privatesten Angelegenheiten wie zum Beispiel die sexuelle Orientierung den Staat mit seinen Behörden und Mitarbeitern nichts angehen, finde ich es richtig, dass es nur noch eine Bezeichnung des Personenstandes gibt. Denn an erster Stelle unseres Grundgesetzes steht die Würde des Menschen. Niemand darf aufgrund seiner Herkunft, seiner Meinung, seines Glaubens oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Trotzdem wurden eben auch Homosexuelle immer wieder durch Staat und Gesellschaft diskriminiert. Dies zu verhindern ist mir wichtig. Dafür leistet diese Entscheidung einen Beitrag.
Zweitens wird nun die Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein. Bisher gilt die sogenannte Sukzessivadoption. Hier kann zunächst nur einer der beiden Partner einer gleichgeschlechtlichen Beziehung ein fremdes Kind adoptieren. Nach einer Frist, die mangels klarer Vorgabe von jedem Gericht in Deutschland unterschiedlich gehandhabt wird, kann dann der andere Partner das Kind auch adoptieren. In Zukunft würde diese Frist und das damit verbundene zweite Verfahren entfallen und beide Partner wären gleichzeitig sofort Adoptiveltern. Die Jugendämter müssen selbstverständlich auch weiterhin immer das Kindeswohl prüfen. In allen anderen Rechtsbereichen ist die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe bereits heute größtenteils durch Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts gleichgestellt.
Es gibt Bedenken gegen das Recht auf Volladoption. Diese Bedenken teile ich aus mehreren Gründen nicht. Zum einen bitten Jugendämter auch heute schon gleichgeschlechtliche Paare, sich um teilweise traumatisierte Pflegekinder zu kümmern. Des Weiteren gibt es mittlerweile einige tausend Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Familien aufwachsen, ohne dass ihnen ein erkennbarer Nachteil entsteht. Zu guter Letzt kann ich nicht nachvollziehen, warum bei einer Volladoption durch gleichgeschlechtlichen Paare eine Wartefrist eingefordert wird, bei gemischtgeschlechtlichen Ehen aber nicht, wenn doch bereits heute im Endergebnis beide Beziehungsformen ein Kind adoptieren können.
Wie komme ich zu meiner Entscheidung?
Diese rechtlichen Aspekte sind natürlich nur ein Teil meiner Entscheidung. Sie betreffen die Zivilehe, wie sie 1874 in Deutschland eingeführt wurde. Für mich geht es vor allem um Werte.
Die Union ist die Partei der Werte. Das unterscheidet uns wesentlich von anderen, ideologiegeprägten Parteien. Zu diesen Werten zählt unter anderem, dass unsere Gesellschaft sich auf der Verbindung zweier Menschen gründet, die aus Liebe und Respekt füreinander Verantwortung tragen wollen. Die Ehe ist von linken Parteien hingegen immer wieder kritisiert und teilweise diffamiert worden. Dabei gilt die Ehe noch immer als Sinnbild einer stabilen Beziehung und in allen Altersschichten als die ideale Beziehungsform. Auch wenn Ehen immer häufiger scheitern, wächst insbesondere bei den jungen Menschen der Wunsch nach einer Ehe. Dass auch gleichgeschlechtliche Paare sich für ihre Beziehung diese besondere Form des Zusammenlebens wünschen, zeigt, dass die Ehe lebendig ist. Dieser Wunsch zeigt auch, wie sehr in allen gesellschaftlichen Kreisen unsere Vorstellung von konservativer Gemeinschaft akzeptiert und unterstützt wird. Diesen Wunsch unterstütze ich mit meinem Abstimmungsverhalten.
Die Union ist auch die Partei des Glaubens. Als Mitglied der Evangelischen Landeskirche in Baden hatte ich dieser Tage die Gelegenheit, sowohl mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, sowie dem Bischof Jochen Cornelius-Bundschuh zu sprechen. Im Gegensatz zur katholischen Kirche ist die Ehe in der evangelischen Kirche kein heiliges Sakrament. Die evangelische Landeskirche segnet mittlerweile auch gleichgeschlechtliche Beziehungen, in einigen Landeskirchen gibt es sogar Trauungen. Das ist in der katholischen Kirche nicht der Fall. Für beide Konfessionen ist jedoch klar, dass Christen ihre Ehe vor Gott bezeugen wollen. Nun möchte ich keinen theologischen Diskurs anstellen, ob, und wenn ja wie die Bibel eine gleichgeschlechtliche Beziehung bewertet. Was uns aber als Christen verbindet ist die Nächstenliebe. Sie ist ein Kern unseres Glaubens. Sie macht auch deutlich, dass wir Menschen vor Gott alle gleich sind. Deshalb steht es mir als fehlbarem Menschen nicht zu, der Verbindung zweier Menschen im Wege zu stehen.
Wie gehen wir miteinander um?
Ich bin mir bewusst, dass einige von Ihnen mit meiner Entscheidung nicht einverstanden sein werden. Mir ist es deshalb wichtig zu betonen, dass ich hohen Respekt vor anderen Meinungen in dieser Frage habe. Darum finde ich es unsäglich, wie sehr diejenigen, die sich gegen eine Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft stellen, kritisiert werden. Auch sie haben Argumente und tiefe Überzeugungen, die vorurteilsfrei diskutiert werden müssen. Dies gilt ganz besonders für Menschen katholischen Glaubens, für die die Ehe zwischen Mann und Frau ein heiliges Sakrament ist und die deshalb eine Öffnung der Zivilehe mit dem christlichen Eheverständnis nicht in Einklang bringen können. Ich bin stolz darauf, dass wir uns gerade in der CDU trotz unterschiedlicher Meinung und über konfessionelle Grenzen hinweg mit Respekt und
Wertschätzung begegnen. Diesen Respekt wünsche ich mir auch in sozialen Netzwerken und von den politischen Mitbewerbern.
Eine Gewissensentscheidung ist immer eine Entscheidung auf der Grundlage von Werte- und Moralvorstellungen eines jeden Einzelnen. Sie haben mich als Ihren Abgeordneten für unsere CDU in die Verantwortung gestellt. Ich nehme diese Verantwortung auch in dieser wichtigen und sensiblen Frage in Demut an; von der Einsicht geprägt, dass es angesichts unserer menschlichen Unzulänglichkeiten keine absolut richtigen oder falschen Entscheidungen gibt. Ich erwarte nicht, dass Sie mein Abstimmungsverhalten in dieser Frage teilen oder verteidigen. Ich bitte Sie aber darum, dass Sie, unabhängig von Ihrer persönlichen Haltung, mein Abstimmungsverhalten in dieser Frage respektieren.